Lokales in digitalen Zeiten – zur Zukunft des lokalen Fernsehens

Interview                 Präsentation

Prof. Dr. Wiebke Möhring, TU Dortmund
„Lokal-TV hat seinen USP verloren.“

In ihrem Impulsvortrag zur Zukunft des lokalen Fernsehens griff Prof. Dr. Wiebke Möhring, TU Dortmund, zunächst auf die Vision der raumlosen Gesellschaft zurück, oder anders gesagt die Betrachtung der Welt als globales Dorf. So ging man bisher von der Annahme aus, dass geografische Räume in ihrer Bedeutung nachlassen. Aber sie sind noch heute bedeutungsvoll, wenn auch verändert. Außerdem kann man heute mit mehreren Orten verbunden sein, sodass viele Orte gleichzeitig relevant werden. Denn Globalisierung und Digitalisierung führen zu Wachstum von Kommunikationsräumen und vielen neuen Interaktionsmöglichkeiten. So sei auch das Internet ein „Medium des lokalen Raums“.

Einem lt. Studien über Jahrzehnte immernoch deutlich vorhandenem Interesse an lokalem Geschehen steht eine enorme Heterogenität bei Publizisten des lokalen Raums und bei Kanälen gegenüber. Außerdem verändert sich die Mediennutzung: Je jünger, desto mobiler, desto moderner die Medienquellen. Die Hauptzuschauergruppe für Lokal-TV liegt bei Menschen zwischen 50-59. Allerdings sinke die Relevanz von linearem Fernsehen insgesamt, die Nutzung von On-Demand nimmt zu, während auch die Bewegtbildnutzung wächst und die Konkurrenz immer weiter steigt. Lokal-TV habe seinen USP verloren, konstatiert Prof. Möhring.

Den anwesenden Lokal-TV-Machern gab sie mit auf den Weg, weiterhin auf lokale Informationen, professionelle Aufbereitung und Bilder zu setzen. Vor allem sollen sie sich die Professionalität als Unterscheidungsmerkmal bewahren.

* Diskussion *

Bert Lingnau, Direktor MMV, lobt gute Beispiele in Mecklenburg Vorpommern für engagiertes Lokal-TV in Richtung junger Zielgruppen. Diese würden aktiv durch die MMV unterstützt. Zwar sei die Förderung nicht möglich, aber das wolle man ändern. Seiner Meinung nach sind Lokal-TV Beiträge sogar oft hochwertiger als öffentlich-rechtliche Beiträge auf lokaler Ebene. Sein Appell neben der Schärfung der eigenen Marke: „Haltet durch, weiterhin Kontakt zu den Landesmedienanstalten und zur Politik!“

Als Vertreter eines mit ca. 40 Mitarbeitern sehr großen Lokal-TV-Veranstalters outete sich Ralph Kühnl, Rhein-Neckar Fernsehen GmbH, als „Fan des Rückkanals“, auch wenn er Facebook und dessen Algorithmus momentan sehr kritisch sieht. Er hat gemeinsam mit allen Mitarbeitern einen Wandel seines Senders herbeigeführt hin zu einem erfolgreich durch Werbung finanzierten, lokalen Nachrichtensender.

Auf der anderen Seite verwies Christian Uhlmann, Jena TV, auf die hohe Fluktuation der Mitarbeiter aufgrund von geringen Gehältern. „Wir können die Qualität nicht bezahlen, um mehr zu erreichen.“ Interaktion brauche Personal, wie z.B. auf Facebook oder bei der Einbindung von Bürgerreportern.

Simone Jost-Westendorf von der Stiftung VorOrt NRW empfiehlt Veranstaltern, sich ständig neu zu erfinden, sich zu verändern und zu experimentieren, sonst hätte man im Sog der Digitalisierung keine Chance. Außerdem könnte sich ihrer Meinung nach der Markenaufbau des Senders positiv auf die Bindung von Personal auswirken.